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Warum ist Transport Consulting so wichtig? – Ein Gespräch mit dem Mobilitätsberater Xuefei Wang

Xuefei Wang, Team Lead Mobilitätsberatung bei Padam Mobility

Für On-Demand-Transport gibt es keine One-fits-all-Lösung. Neue Mobilitätsdienste in einem bestimmten Gebiet einzuführen, bedarf großer Expertise und einer genauen Analyse, damit Services erfolgreich werden, d.h. Kunden- und Nutzerbedürfnissen optimal entsprechen. Transport Consulting ist für Padam Mobility daher ein sehr wichtiges Thema. Interne Mobilitätsberater und -ingenieure helfen Kunden dabei, den On-Demand-Service zu entwickeln, der ihre bestehenden Probleme im Bereich des öffentlichen Transports löst.

Einer dieser Mobilitätsexperten ist Xuefei Wang. Xuefei arbeitet seit über vier Jahren bei Padam Mobility, zu Beginn als Customer Success Manager. Seine intensive Einblicke in fast alle Bereiche des Unternehmens machen ihn heute zu einem der erfahrensten Mobilitätsberater bei Padam. Im Interview hat er uns mehr über seine Leidenschaft für die Mobilitätsberatung verraten. Außerdem haben wir darüber gesprochen, welche Schritte nötig sind, um das perfekte Servicedesign erstellen zu können. Dabei ging es unter anderem um die Wichtigkeit von Daten und den Mut zur Innovation.

Wie bist du zu Padam Mobility gekommen und wie sieht dein Job heute aus?

Ich arbeite jetzt seit über 4 Jahren bei Padam. Ich habe als Praktikant im Customer Success Team angefangen und habe danach etwa 2 Jahre als Customer Success Manager gearbeitet. Vor 2 Jahren haben wir das Transport Consulting Team gegründet, ich war damals im Gründungsteam und seit etwa einem Jahr leite ich dieses Team.“

Welchen beruflichen oder akademischen Hintergrund hast du?

Ich habe einen Bachelor in Civil Engineering von einer der führenden Universitäten in China, der Tsinghua University. Danach habe ich in einem jungem Tech Start-Up im Bereich Logistic/Mobile Applications in China angefangen. Ich war einer der Gründungsmitglieder und von 2016 bis 2018 der Director of Operations. Später im Jahre 2018 bin ich dann nach Frankreich gekommen und habe ein Jahr lang an der Ecole de Ponts ParisTech einen Master in Transport and Sustainable Development gemacht.“

Was verstehst du in deiner jetzigen Funktion unter ‚Transport Consulting‘? Welche Dienste bietet Padam Mobility in diesem Zusammenhang an?

Bei Padam Mobility ist es uns sehr wichtig, Kundenbedürfnisse bestmöglich zu beantworten. Daher haben wir das Transport Consulting Team gegründet. Damals ist uns besonders aufgefallen, wie sehr Kunden und potentielle Kunden eine Beratung von Experten im Bereich On-Demand-Transport benötigen, um die passenden Entscheidungen zu treffen. Sie sind an On-Demand-Diensten interessiert, allerdings fehlt ihnen die nötige Expertise, um solche Services einzurichten. Sie wissen nicht, wie viele Fahrzeuge sie benötigen, wie viel der Service kosten wird, etc.

Also benötigen sie Hilfe und Beratung, um alles einzurichten. Über die Jahre haben wir enorm viel Wissen und Daten über On-Demand-Transport-Services gesammelt, diese Daten sind heute wahrscheinlich eines der wichtigsten Güter dieser Firma, da sie dem Wissen entsprechen, das vom Markt enorm gefragt ist. Daher war es uns wichtig, eine eigene Transportberatungsabteilung innerhalb von Padam einzurichten. So schaffen wir es, unsere Kunden dabei zu unterstützen, ihre Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen, auch Geld einzusparen und gleichzeitig einen qualitativen Mobilitätsservice anzubieten.

Meine Funktion als Customer Success Manager hat mich auf diese Rolle optimal vorbereitet. Customer Success Manager arbeiten eng mit dem Kunden zusammen, insbesondere in der Phase zwischen Auftragsentscheidung und Servicelaunch. Es ist zwingend notwendig genau zu verstehen, was der Kunde benötigt und wie die Software diese Bedürfnissen befriedigen kann. Durch mein Studium hatte ich allerdings weiterführendes Wissen, nicht nur, wie die Padam Software eingesetzt werden muss, sondern Fachwissen über Transport Engineering, was mir dabei hilft, Kunden bei komplexen, komplizierten Fragen zu unterstützen.“

Wie sehen die unterschiedlichen Schritte aus, die eine Transportberatung umfassen? Wie gehst du neue Kundenprojekte an?

Ich vergleiche die Arbeit unseres Teams mit der Arbeit eines Doktors. Wir haben Patienten und müssen herausfinden, was diesen Patienten fehlt und wie wir Ihnen helfen können. Zu Beginn erstellen wir eine sogenannte „Gebietsdiagnose“ und stellen dann Fragen, etwa welches Problem möchte der der Kunde lösen? Warum möchten sie einen On-Demand-Transport-Dienst einrichten? Hat der Kunde beispielsweise feste, sehr kostenintensive Buslinien oder möchte er das öffentliche Transportangebot erweitern? Auf Grundlage der Bedürfnisse können wir ableiten, wie die spätere Lösung aussehen kann.

Danach benötigen wir bestimmte Daten demographische Daten, beispielsweise wo wohnen die Menschen, wo arbeiten sie, wo erholen sie sich, wie ist die Altersstruktur, etc. und geographische Informationen, wie sieht das Gebiet aus, welche Besonderheiten gibt es? Wir fragen auch nach politischen und wirtschaftlichen Strukturen. All diese Angaben können unsere Empfehlungen beeinflussen. Um an Informationen zu gelangen, gibt es verschieden Wege: In Europa gibt es häufige öffentliche zugängliche Daten, die beispielsweise von öffentlichen Institutionen frei zur Verfügung gestellt werden. Außerdem fragen wir unsere Kunden nach Daten, manchmal haben sie bereits Nutzerumfragen zum Thema Mobilität durchgeführt oder sie haben operative Daten vom bestehenden Transportangebot. Nachdem wir alle diese Daten analysiert haben, ist es uns möglich zu verstehen, wie sich Menschen in bestimmten Gebieten fortbewegen.

In manchen Fällen können wir bereits nach der Diagnose Empfehlungen für das zukünftige On-Demand-Servicedesign geben. Das liegt auch daran, dass wir bereits viele Erfahrungen mit diesem Prozess haben und sagen können, welche Konfigurationen sich für eine bestimmte Art von Gebieten eignen. Manchmal müssen wir allerdings tiefer graben, etwa wenn sich der Kunde mehr Infos wünscht oder wenn das Gebiet sehr groß oder speziell  ist.

In diesem Fall haben wir die Möglichkeit, Simulationen zu erstellen. Neben der Gebietsdiagnose ist dies das zweite Angebot unseres Teams, das wir Kunden anbieten. Hierfür haben wir ein eigens entwickeltes Tool namens „Padam Simulations“, das die gleichen Algorithmen wie unsere On-Demand-Lösung nutzt. Das erlaubt es uns, genau zu sehen, wie unsere Software in bestimmten Situationen reagiert. In der Regel simulieren wir einen Tag, d.h. wir erstellen eine logische Anzahl an Fahrzeugen, die zu bestimmten Zeiten realistische Kundenströme bedienen müssen. Wenn wir diese Parameter erstellt haben, starten wir die Simulation. Dies erlaubt es uns zu sehen, wie der Service unter realen Bedingungen performt hätte. Sehen wir in der späteren Auswertung beispielsweise, dass Fahrten zu bestimmten Uhrzeiten abgelehnt wurden, kann es sein, dass nicht genug Fahrzeuge eingesetzt wurde.“

Das heißt, ihr konzentriert euch auch auf Worst-Case-Scenarios?

In der Regel erstellen wir viele verschiedene Szenarien und ändern auch das Servicedesign. Es gibt tausende von möglichen Szenarien, daher besprechen wir im Vorfeld mit dem Kunden, welche bestimmten Szenarien durchgespielt werden sollen.

Das Gute an „Padam Simulations“ sind die qualitativen Resultate. Wir können erkennen, wie viele Fahrzeuge zu welcher Zeit und mit wie vielen Plätzen benötigt werden, wie das Servicedesign aussehen soll, also Free-Floating, Feeder und so weiter. Mit diesen Angaben können wir sehr präzise Vorschläge machen.“

Achtet ihr auch darauf, ob es bestehende feste Buslinien oder andere öffentliche Verkehrsmittel gibt und wie diese die Performance des On-Demand-Dienstes beeinflussen könnten?

Genau, diese Überlegungen werden bereits bei der Gebietsdiagnose berücksichtigt, worauf die Simulation aufbaut, daher ist das bestehende ÖPNV-Netz immer mitbedacht.“

Und was passiert, wenn ihr vor der Simulation nicht genügend Daten sammeln könnt?

Es ist tatsächlich besonders schwer vorherzusagen, wie viele Menschen den Service nutzen würden. Wenn hierfür absolut keine historischen Daten vorliegen, müssen wir die Nachfrage modellieren. Hier helfen uns enorm unsere Erfahrungen aus anderen Projekten und Fähigkeiten, die wir als Transport Engineers haben.“

Gibt es noch andere Services, außer der Gebietsdiagnose und Simulation, die du und dein Team Kunden anbieten?

Worüber wir bisher besprochen haben, ist die Feasibilty Study, also die Gebietsdiagnose, Simulationen und schließlich Vorschläge zum Servicedesign. Das ist ein großer Teil, den wir als Transport Consulting Team anbieten. Den anderen Teil unserer Leistungen bezeichnen wir als „Professional Services“. Diese Services bieten wir bestehenden Kunden an. Sie bestehen aus der Perfomance Analyse des Service. Hier analysieren wir die Daten des Service und versuchen, bestimmte KPIs, wie etwa die Poolingrate, die Zufriedenheit der Kunden, etc. weiter zu verbessern. Außerdem bieten wir bestimmte Tools, die dem Kunden dabei helfen, ihren Service optimal zu überwachen und zu verstehen.“

Welche Erfahrungen hast du damit, virtuelle Stops einzurichten?

 Virtuelle Stops können zum Beispiel eingerichtet werden, wenn der Kunde den Nutzern von On-Demand-Diensten ein enges Haltestellennetz bieten möchte, um die Laufstrecke so gering wie möglich zu gestalten. Diese Stops können beispielsweise mit einem Punkt in der App sichtbar gemacht werden. Ich sehe virtuelle Stops kritisch, da es für Nutzer schwierig sein kann, sich zu orientieren, wenn sie keinen physischen Haltepunkt vorfinden. Manche unserer Kunden lösen dieses Dilemma, indem sie einen Kompromiss eingehen und beispielsweise kleine Schilder oder Sticker an den entsprechenden Orten anbringen.“

Hast du Tipps für Transportbehörden oder andere Anbieter öffentlicher Mobilitätsdienste, wie die Einführung eines On-Demand-Service erfolgreich gelingen kann?

On-Demand-Transport funktioniert anders als der traditionelle öffentliche Personentransport, allerdings sehen wir immer wieder, dass Kunden On-Demand-Transport mit virtuellen Linien gleichsetzen, also ein Service, der einer festen Linienkonfiguration folgt. Es besteht eine gewisse Angst, sich davon zu lösen und auf ein anderes Modell, etwa zonaler On-Demand-Verkehr zu setzen. Obwohl wir bereits gesehen haben, dass die Aufteilung des Bediengebietes in kleinere Zonen gute Erfolge erzielen kann, sind Kunden zu Beginn oft skeptisch. Daher denke ich, dass Kunden in dieser Hinsicht mehr innovativ denken sollten.

Auch das Marketing spielt eine wichtige Rolle. Die Nutzer wissen zu Beginn häufig nicht, was der Service ist und wie sie ihn nutzen können. Die Kommunikation mit den Nutzern spielt also eine wichtige Rolle. Wir können zu Beginn eines neuen Service sehr gut erkennen, wie Marketingmaßnahmen von Kunden wirken. Fühlen sich die Nutzer gut informiert, steigen die Tripzahlen in der Regel rapide an. Falls Kunden in diesem Punkt Unterstützung benötigen, haben sie übrigens auch die Möglichkeit, von unserem Marketingteam bei Padam Mobility beraten zu werden. Wir können Tipps geben, wie die Funktion von On-Demand-Diensten kommuniziert werden kann und wie man Kunden am besten erreichen kann.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Heranführung der Kunden an die Digitalisierung. Wir haben einen Kunden, der bereits einen On-Demand-Service hatte, allerdings liefen alle Buchungen über ein Call-Center, was kostspielig und weniger praktisch war. Der Kunde wollte die Nutzer dazu bewegen, Buchungen verstärkt per App durchzuführen. Also hat der Kunde die Call-Center-Mitarbeiter dazu angeleitet, jedes Mal, wenn sie einen Anruf bekommen haben, die Nutzer zu fragen, ob sie über die Möglichkeit der App-Buchung Bescheid wissen. Als Folge fiel die Zahl der Call-Center-Buchungen in wenigen Wochen von 100% auf etwa 60%.“

Welche anderen Tipps könnt ihr Kunden geben, um Kosten einzusparen?

Es gibt mehre Beispiele von Kunden, die es geschafft haben, die Kosten ihres On-Demand-Service zu verringern. Etwa, indem verschiedene Services, die für unterschiedliche Nutzergruppen eingesetzt wurden, etwa die Beförderung von Schülern, die Beförderung von Menschen mit eingeschränkter Mobilität und Nutzer ohne besondere Bedürfnisse, zusammengelegt wurden. So werden beispielsweise die Fahrzeuge besser ausgelastet und Ressourcen gespart.

Außerdem ist es möglich, Services zunächst als Pilotprojekte zu starten, um das Risiko zu scheitern, so gering wie möglich zu halten. Wir raten auch dazu, mit kleinen Zonen und wenigen Fahrzeugen zu beginnen und dann das Servicegebiet und die Flotte sukzessive zu vergrößern. Neue Gebiete auf einer Plattform hinzuzufügen ist einfacher, als den Service grundlegend neu aufzubauen.“

Welche Zukunftsprojekte stehen an? Können wir Kunden beispielsweise über On-Demand-AV-Services beraten?

Sicherlich. Wir haben bei Padam ein engagiertes AV-Team und auch einige Services, die live sind. Daher sind wir bereits in der Lage, Kunden hinsichtlich der Einführung von AV-Services On-Demand zu beraten.“

Danke für deine Zeit, Xuefei!

 

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