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Umwelt

Empirische Erkenntnisse über On-Demand-Mobilitätsdienste

Interview Gregoire_Lisa

On-Demand (oder Demand-Responsive) Transport ist zur Zeit eine der weltweit interessantesten Verkehrslösungen auf dem Markt der serviceorientierten Mobilität. Aber was ist Demand-Responsive Transport eigentlich genau? Es handelt sich dabei um eine Transportart, bei der anstelle von festen Linien und festen Fahrplänen die Routen tatsächlich auf der Grundlage von Nachfrage oder Buchungen optimiert werden. Um die Auswirkungen der On-Demand-Mobilität auf das Thema Nachhaltigkeit etwas besser zu verstehen, hat Grégoire Bonnat, CEO von Padam Mobility, Lisa Dang, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Luzern, zu den Schlussfolgerungen befragt, die sie nach der Veröffentlichung ihrer jüngsten Studie zu diesem speziellen Themenkomplex gezogen hat.

Lisa, Sie sind Mitarbeiterin der Universität Luzern und haben kürzlich Ihre Studie über die Auswirkungen von On-Demand-Mobilität auf das Thema Nachhaltigkeit veröffentlicht. Beschreiben Sie bitte zunächst kurz, worum es in Ihrer Studie geht.

In unserer Studie haben wir die Auswirkungen von On-Demand-Mobilitätsdiensten auf die Nachhaltigkeit in Bezug auf Emissionen und Verkehrsaufkommen untersucht. Für die Analyse haben wir vier möglichst realitätsnahe Service-Optionen erstellt, abhängig vom Grad der Integration von On-Demand-Mobility in den öffentlichen Verkehr:

  • On-Demand-Linienbetrieb, ein Service, der wie eine „konventionelle“ Buslinie funktioniert, aber durch eine zusätzliche On-Demand-Komponente erweitert wird;
  • On-Demand ÖPNV-Ergänzung, ein Dienst, der eine Erweiterung des ÖPNV darstellt und z. B. nur in den Nebenverkehrszeiten genutzt wird, in denen der ÖPNV wenig frequentiert ist;
  • On-Demand-Ersatz für öffentliche Verkehrsmittel, ein Dienst, der öffentliche Verkehrsmittel durch virtuelle Haltestellen ersetzt, z. B. Fahrten von Tür zu Tür;
  • Kommerzieller On-Demand, ein Dienst, der direkt mit dem öffentlichen Verkehr konkurriert und darauf abzielt, Nutzer abzuwerben.

Der Schwerpunkt der Studie liegt auf dem Vergleich einer ländlichen Region, Glarus Süd, mit einer urbanen Region, nämlich Basel St. Johann, beide in der Schweiz gelegen. Die Berechnungen der Studie basieren auf einem mit Excel erstellten Nachhaltigkeits-Simulationsmodell. Die Eingangsdaten für die Simulationen stammen aus der Literatur sowie aus empirischen Daten von Pilotprojekten.

Welche der Serviceoptionen ist also laut Ihrer Simulation die effizienteste?

Bei den Serviceoptionen ‚Erweiterung‘, ‚Ersatz‘ und ‚Konkurrenz‘ ist ein deutlicher Anstieg der CO2-Emissionen zu erwarten, da ein erheblicher Anteil der Nutzer dieser Services von den umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln, also dem ÖPNV oder dem nicht-motorisierten Verkehr, abwandert.

Dennoch ist die Umsetzung der ‚ÖPNV-Ergänzung‘ empfehlenswert. Es gibt positive Effekte in Bezug auf den CO2-Ausstoß, da in diesem Fall viele Fahrgäste vom Taxi oder dem privaten Pkw auf diesen umweltfreundlichen Sammeltransport umsteigen.

Und was waren Ihre Erkenntnisse hinsichtlich des Verkehrsaufkommens?

Bei allen Serviceoptionen und in beiden räumlichen Kontexten ist zusätzlicher Straßenverkehr eine Folge der On-Demand-Kollektivverkehrsdienste. Es gibt zusätzlichen Verkehr, weil gemäß den Modellannahmen bei alles Serviceoptionen ein erheblicher Anteil der Nutzer vom öffentlichen oder nicht-motorisierten Verkehr auf die Bedarfsgemeinschaftsverkehre umsteigt. Darüber hinaus ist dieser Effekt auf die geringe Auslastung der Bedarfsgemeinschaftsverkehre zurückzuführen, die durch ein eher geringes Fahrgast-Pooling und einen hohen Anteil an Leerkilometern verursacht wird.

Haben Sie interessante Unterschiede zwischen den städtischen und den ländlichen Gebieten gefunden?

Ja, die Ergebnisse der Simulation bezüglich des positiven Einflusses auf ein Gebiet durch kollektive on-Demand-Dienste zeigen, dass die Serviceoptionen ‚Linienbetrieb‘, ‚Ersatz‘ und ‚Wettbewerb‘ im ländlichen Raum höhere zusätzliche CO2-Emissionen erzeugen als im städtischen Bereich. Die Option ‚ÖPNV-Ergänzung‘, die insgesamt die vorteilhafteste ist, führt in beiden Gebieten zu einer Verringerung der CO2-Emissionen, wobei die Verringerung der CO2-Emissionen im städtischen Gebiet höher ist. Im städtischen Bereich gibt es jedoch einen negativen Einfluss auf das Verkehrsaufkommen in Form von zusätzlichen Fahrzeugkilometern, da der meist höher gebündelte ÖPNV durch weniger gebündelte Bedarfsverkehre ersetzt wird.

Welche Faktoren beeinflussen also letztlich die Ökobilanz von On-Demand-Shared-Mobility?

Die vorliegende Studie zeigt durch die Berechnung von Sensitivitäten, welche Faktoren die Ökobilanz beeinflussen und wie stark die Effekte sind. Sowohl der Modal Shift, als auch die Antriebstechnik haben einen starken Einfluss auf die Ökobilanz und das Verkehrsaufkommen. Hinsichtlich des Verkehrsaufkommens lässt sich sagen, dass der Modal Shift, die durchschnittliche Nutzung und die Poolingrate einen besonders hohen Einfluss auf das erzeugte Verkehrsaufkommen haben.

Wenn es gelingt, einen Großteil der Fahrten vom motorisierten Individualverkehr auf die neuen On-Demand-Mobilitätsdienste zu verlagern und gleichzeitig eine durchschnittliche Auslastung zu erreichen, die höher ist als die eines Pkw, ergeben sich positive Effekte auf Verkehr und Umwelt, die besonders in dicht besiedelten Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen von Bedeutung sind

Und in Bezug auf die ökologischen Effekte können wir feststellen, dass die Einführung von Shared-on-Demand-Verkehrsdiensten zu weniger Verkehr und schnell zu geringeren CO2-Emissionen führt, wenn wir optimistische Annahmen bezüglich der Bündelung von Fahrtanfragen, der Leerfahrtquote und der Verlagerung vom privaten Pkw treffen. Auch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte hat einen großen Effekt, während die durchschnittliche Distanz pro Fahrgast nur einen kleinen Effekt hat.

 

Das vollständige Interview können Sie sich hier ansehen.

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Das neue Personenbeförderungsgesetz ist beschlossen – ein Überblick 

Personenbeförderungsgesetz

Das Anfang März vom Bundestag beschlossene Gesetz zur „Modernisierung des Personenbeförderungsgesetz“ wurde am heutigen Freitag, 26.03., vom Bundesrat verabschiedet. In einigen Monaten wird es in Kraft treten und ebnet damit den Weg für neue Formen geteilter Mobilität.  

Lesen Sie hier, welche Neuerungen beschlossen wurden und welche Folgen sich daraus für die Zukunft von Transport-on-Demand-Diensten ableiten lassen.  

Die Schaffung eines rechtssicheren Rahmens

Transport-on-Demand-Dienste waren bislang ohne geregelten Rechtsrahmen auf deutschen Straßen unterwegs, das soll sich mit der Gesetzesreform nun ändern. In der neuen Vorlage ist festgehalten, dass Betreiber von Linienbedarfsverkehren und gebündelten Bedarfsverkehren Fahrtenanfragen über digitale Schnittstellen, wie etwa Websites oder Apps, annehmen dürfen. Damit sollen beide Verkehrsarten dauerhaft in das öffentliche Mobilitätsangebot integriert werden. 

Die Änderungen würden, so der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Andreas Scheuer, die Menge an Autos in den Städten senken und die Mobilität der Menschen im ländlichen Raum positiv beeinflussen. 

Tatsächlich kann die neue Rechtsgrundlage ein Transport-on-Demand-Angebot attraktiver machen: Betreiber und Kommunen bekommen Rechtssicherheit und können zudem den Einsatz der Transport-on-Demand-Services langfristiger planen. Nutzern wird es leichter gemacht, auf umweltfreundliche Transportmittel umzusteigen, zusätzlich werden sie durch die Bereitstellung von Echtzeitdaten unmittelbar über die Verfügbarkeit eines Demand-Responsive Transport (DRT)-Service informiert, was das gesamte Nutzererlebnis deutlich steigert.  

Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn Nutzern auch ein entsprechend attraktives, einfach zugänglich und vielfältiges Verkehrsangebot zur Verfügung gestellt wird. Im Voraus buch- und bezahlbare On-Demand-Dienste, die Reiseinformationen in Echtzeit liefern, sind wichtig, um Nutzer vom Umstieg auf alternative, umweltfreundlichere Transportmittel zu überzeugen

Gebündelter Bedarfsverkehr und Linienbedarfsverkehr – wo genau liegt der Unterschied?

Pooling-Dienste werden nach dem Personenbeförderungsgesetz in gebündelte Bedarfsverkehre (Dienste außerhalb des ÖPNV) und Linienbedarfsverkehre (Dienste, die sich in das ÖPNV-Angebot eingliedern) eingeteilt. Erstere können untersagt werden, wenn sie die „Verkehrseffizienz in ihrem Bediengebiet beeinträchtigen“, sich also zum Beispiel mit anderen Verkehrsangeboten mit einer höheren Pooling-Rate kannibalisieren.   

Linienbedarfsverkehre hingegen müssen das gesamte Gebiet, das der herkömmliche Nahverkehrsplan vorsieht, einschließen, allerdings sind sie nicht mehr an konkrete Haltestellen und festgelegte Abfahrtszeiten gebunden. Eine Fahrt von „Tür zu Tür“ ist also theoretisch umsetzbar, was den Service sehr viel flexibler und kundenfreundlicher gestalten kann. 

Was heißt das konkret? 

Das neue Personenbeförderungsgesetz ist nicht unumstritten, so befürchten manche Kommunen etwa einen erhöhten Verwaltungsaufwand aufgrund der Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen der Bedarfsverkehre. 

Und dennoch, die Novellierung ist ein wichtiger Schritt, um den öffentlichen Nahverkehr sukzessive auszubauen. Gerade in ländlichen Gebieten sind Bedarfsverkehre eine geeignete Möglichkeit, um die zum Teil unterentwickelten ÖPNV-Netze zu erweitern. Die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Angebote, etwa, dass festgelegt werden kann, wie viele Buchungen für eine Fahrt vorliegen müssen, welche Haltestellen zu welcher Zeit angefahren werden etc., gestalten den öffentlichen Nahverkehr wesentlich effizienter und auch umweltfreundlicher. 

Kommunen sollten diese neuen Möglichkeiten nutzen, um Bürgerinnen und Bürger, die sich bisher hauptsächlich auf das eigene Auto verlassen haben, ein attraktives, alternatives Verkehrsangebot zu bieten. 

Wie entwickelt man ein effizientes Transport-on-Demand-Angebot?

Die neuen Regelungen bieten Anbietern und Kommunen Rechtssicherheit, neue Verkehrsformen einzuführen. Allerdings ist die Entscheidung, wie diese aussehen sollen, nicht immer ganz leicht. Jede Region ist anders, verfügt über unterschiedliche Gegebenheiten (z. B. Bevölkerungsdichte, nahegelegenes Verkehrsnetz etc.) und Ansprüche an ein Verkehrsangebot. 

Sie sind sich unsicher, wie ein geeigneter Transport-on-Demand-Service in Ihrer Region aussehen soll? Sprechen Sie uns an! Unsere Experten beraten Sie umfassend! 

 

Erfahren Sie mehr über die Möglichkeit einer Simulation und Machbarkeitsstudie!

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[Forum] Kann der ÖPNV trotz Social-Distancing wichtiger (als je zuvor) werden?

Kaum eine Innovation hat den Mobilitätssektor so sehr verändert wie es die Covid-19-Pandemie getan hat. Im Folgenden ziehe ich eine kurze, persönliche Bilanz der Geschehnisse, der Entscheidungen, die vor uns liegen, und der Gründe, warum der öffentliche Verkehr trotz sozialer Distanz gestärkt werden sollte. In einer Zeit, in der wir uns alle an die Gesundheitsrichtlinien gewöhnt haben, müssen wir wichtige Entscheidungen treffen, um sicherzustellen, dass die Zukunft der Mobilität eine nachhaltige ist.

Ein harter Schlag für den Mobilitätssektor

Der gesamte Mobilitätssektor hat in den vergangenen Monaten einen schweren Schlag erlitten. Die Bewegungsfreiheit der meisten Menschen wurde stark (je nach den Richtlinien der Länder) eingeschränkt, unsere normalerweise verstopften Städte waren – und sind es teilweise immer noch – wie ausgestorben. Sowohl etablierte Unternehmen als auch Newcomer, die gestern noch als die Zukunft der Mobilität galten – insbesondere Mobility as a Service (MaaS) – wurden in die Knie gezwungen. Selbst Ubers E-Scooter-Sharing-Unternehmen Jump wurde kurzerhand mit Lime fusioniert, für einen Bruchteil des Wertes, das das Unternehmen vor der Corona-Krise hatte.
Der 100 Jahre alte Autovermieter Hertz meldete in den USA Insolvenz an, und der europäische Marktführer für Carsharing, Drivy, beantragte nur wenige Monate nach Übernahme durch das US-amerikanische Unternehmen Getaround vor einem Pariser Handelsgericht finanzielle Unterstützung. Dabei galten Carsharing- und Scooter-Sharing-Dienste doch als die Lösung, um den Weg in eine Welt ohne Privatautos zu ebnen und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Einige Dienste waren sogar hilfreich, um mit der „Virus-Situation“ fertig zu werden

Auch der öffentliche Nahverkehr ist stark betroffen, schaffte es bisher aber, der Krise standzuhalten. Dank ausgewogener öffentlich-privater Geschäftsmodelle, die sich auf langfristige Verträge stützen, sind die Akteure des öffentlichen Nahverkehrs widerstandsfähiger als andere Unternehmen. Selbst unter den strengsten Lockdown-Maßnahmen, wurden die ÖPNV-Dienste weiterhin genutzt. Meines Wissens gibt es keinen großen ÖPNV-Betreiber, der Konkurs angemeldet hat, und es gab auch keine Äußerung der Behörden, dass der ÖPNV in Zukunft deutlich verkleinert werden würde. Einige Dienste waren sogar hilfreich, um mit der „Virus-Situation“ fertig zu werden: Der „Nachtbus“-Service in Padua, Italien (betrieben von Padam Mobility) wurde in einen Tagesservice umgewandelt und steigerte sogar seine Fahrgastzahlen. Der „Berlkönig“ in Berlin, ebenfalls auf Nachtmobilität ausgerichtet, wurde zugunsten des medizinischen Personals erweitert.

Langfristige Auswirkungen auf den Modal Split nach der Pandemie

Es ist verlockend zu denken, dass nach der Krise alles wieder zur „Normalität“ zurückkehren wird.
Ich denke, wir sollten nicht unterschätzen, wie das Coronavirus unsere Vorstellung von Mobilität durcheinander gebracht hat – vielleicht gar nicht zum Besseren.

Das Coronavirus könnte das Potenzial haben, ein Jahrzehnt der Bemühungen, die Bürger vom privaten Auto zu trennen, zunichte zu machen.“

Im Sommer 2020, in den ersten Wochen nach Aufhebung der sozialen Distanzierungsmaßnahmen, haben wir eine große Verschiebung des Modal Split der Mobilität beobachten können. Der öffentliche Nahverkehr ist der Bereich, in dem man viele fremde Menschen trifft. In Zeiten der sozialen Distanzierung ein unübersehbarer Widerspruch. Bloomberg zitiert Jason Rogers (Nashville, US): „Ich habe kein Interesse daran, in den Bus oder ein Ridesharing-System zu steigen, es sei denn, ich trage einen Schutzanzug“. Eine weit verbreitete Meinung, so scheint es. In China – das als erstes Land die Abriegelungsmaßnahmen aufhob – liegen die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr 35 % unter dem Normalwert, während gleichzeitig die Staus bereits über dem Durchschnitt von 2019 liegen. In den USA ist ein ähnlicher Trend zu beobachten.

Auch in Europa haben einige Kommunen begriffen, dass das Coronavirus ein Jahrzehnt der Bemühungen, ihre Bürger von privaten Autos zu befreien, zunichte machen könnte. Zu Beginn der Coronakrise wurden daher schnell alternative Strategien entwickelt. Auf Fahrräder zu setzen ist eine davon: Die französische Regierung hat nach eigenen Angaben 1.000 km temporäre Fahrradwege geschaffen und arbeitet daran, diese dauerhaft zu erhalten. Großbritannien investierte bis zu 2 Milliarden Pfund in einen „einmaligen“ Plan zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs und in Athen wurden für mindestens 3 Monate Autos aus einem Großteil des Stadtzentrums verbannt.

Aber genügt das? Solche und andere Bemühungen sind sicherlich sehr zu begrüßen, aber beispielsweise ist der Anteil des Radverkehrs ist in Großbritannien trotz allem konstant niedrig, unter 2 %, geblieben und wird auch in Frankreich auf nur etwa 3 % geschätzt. Ein dauerhafter Rückgang der Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr um 10 % könnte damit ausgeglichen werden, wenn mehr Menschen aufs Rad steigen. Allerdings ist zu befürchten, dass es eher zu einer starken Verlagerung vom ÖPNV zum Auto kommt. In Frankreich, wo sich drei wichtige ÖPNV-Betreiber befinden (Transdev, Keolis, RATP), haben Vertreter der Branche hart – aber nicht sehr erfolgreich – dafür gekämpft, strenge soziale Distanzierungsmaßnahmen an Bord von U-Bahnen und Bussen zu vermeiden und sich auf Masken als wichtigste Hygienemaßnahme zu verlassen.

In London hat Transport for London (TfL) das Dilemma der Priorisierung von Stau- oder Gesundheitsfragen erst recht nicht gelöst, sondern sowohl die Stau-Steuer für Autos als auch die Fahrpreise des öffentlichen Nahverkehrs erhöht.

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Rystadenery

Psychologische Auswirkungen 

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es unmöglich, das Ausmaß der psychologischen Auswirkungen auf die Wahl des Verkehrsmittels vorherzusagen.
Nach Terroranschlägen die dem öffentlichen Nahverkehr galten, wie etwa Madrid (2004) oder London (2005), waren die Fahrgastzahlen nach kurzer Zeit wieder auf einem „normalen“ Niveau. Die Corona-Krise ist damit allerdings nicht vergleichbar: Jetzt sind es eher die öffentlichen Verkehrsmittel selbst und andere Fahrgäste, vor denen die Menschen Angst haben.

Sicher, die Leute haben viel über diese Krise als eine Chance gesprochen, einen neuen Kurs für unsere Gesellschaft einzuschlagen, in Richtung Dekarbonisierung und Resilienz. Aber ich höre die gleichen Leute sagen: „Ich werde auf keinen Fall die Bahn benutzen, ich fahre einfach mit dem Auto.“ Da ich nicht viel von Soziologie verstehe, zitiere ich einen Experten, den Abenteurer Sylvain Tesson, der von seiner Reise zu Fuß von Sibirien nach Indien erzählt: „Wenn ich sage, dass ich vorhabe, bis in die Mongolei zu laufen, stört sich niemand an einem so abstrakten Ziel, aber wenn ich behaupte, dass ich die andere Seite des Berges erreichen werde, rebelliert jeder auf dieser Seite. […] Wir fürchten das, was uns nahe ist, mehr als das, was noch weit weg ist.“ Wir fürchten das Virus mehr als den Klimawandel.

Prioritäten neu sortieren

Der Klimawandel und die Erschöpfung der Ressourcen sind immer noch die beiden weltweit größten Probleme, die es zu bewältigen gilt. Als das Virus zuschlug, konnten wir uns als letzten Ausweg voneinander abschirmen, um die Auswirkungen des Virus zu mildern. Es wird keine Sofortmaßnahmen ähnlich einem Lockdown geben, die wir ergreifen können, wenn wir mit Rekorddürren konfrontiert sind, die ganze Ernten vernichten, wenn Küstengebiete, die von zig Millionen Menschen bewohnt werden, durch den Meeresspiegelanstieg und extremen Wetterereignissen überflutet werden.

Wir werden keine fliegenden Autos sehen, wir werden mehr energiesparende Mobilität erleben und wir sollten uns darauf vorbereiten.“

Eine wichtige Tatsache, die, wie ich festgestellt habe, nur wenige Menschen kennen, ist die Trägheit und Latenz des Klimawandels, der durch den Treibhauseffekt ausgelöst wurde. Mit der Zufuhr von mehr als 100 ppm CO2 in die Atmosphäre, haben wir einen jahrhundertelangen Temperaturanstieg in Gang gesetzt, selbst wenn unsere Emissionen morgen auf Null sinken würden. Die Flugbahn unserer CO2-Emissionen wird das Ausmaß des Klimawandels verändern, allerdings mit einer 20-jährigen Latenzzeit. Wenn wir unsere Emissionen jetzt steuern, macht das ab 2040 einen Unterschied. Mit anderen Worten, wir werden nicht in der Lage sein, das Problem der Klimaerwärmung bis zum Jahr 2040 zu verhindern, dafür sind wir 20 Jahre zu spät dran.


Globale Temperaturänderungsprognosen basierend auf Treibhausgas-Szenarien des IPCC.
Quelle: Climate model IPSL-CM61-LR

Eine weitere wichtige Tatsache, die unter dem Radar der öffentlichen Medien verschwindet, ist die Erschöpfung des Öls, das ~98% des Transportwesens antreibt.
Vor dem Ausbruch des Coronavirus änderten einige Experten bereits ihre Vorhersagen für die US-Produktion, die im Jahr 2020 stabil sein und danach zumindest für ein paar Jahre wieder wachsen würde. Russland hatte erklärt, dass sie ihren Höhepunkt vor 2025 und vielleicht schon früher erreichen würde. Jetzt, nach dem schweren Schlag für die Branche, wurden Investitionen in neue Förderanlagen weitgehend gestrichen und die US-Ölfelder wurden rapide verkleinert. Einige Experten weisen darauf hin, dass sowohl die US-amerikanische als auch die russische Ölförderung ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Um besser zu verstehen, was dies für unsere Wirtschaft bedeutet, empfehle ich, den unabhängigen Experten rund um die Energiewende, The Shift Project, zuzuhören. Um es kurz zu machen: Wir werden weder fliegende Autos noch eine Massenproduktion von 2,3 Tonnen schweren Elektro-PKWs sehen, wir werden mehr Niedrigenergie-Mobilität erleben und wir sollten uns darauf vorbereiten.


Laut Rystad werden Ölproduktion und -nachfrage Ende 2021 immer noch unter dem Niveau von 2019 liegen.
Quelle: Rystadenergy

Was ist zu tun? 

Die Mission von Padam Mobility, dem Unternehmen, das ich mitgegründet habe, lautet: „Taking care of shared mobility.“ Das bedeutet, dass wir in Zukunft mit weniger Ressourcen haushalten müssen, aber auch, dass wir die Mobilität nicht aufgeben! Dies wird nicht durch effizientere Autos erreicht werden. Die einzige Möglichkeit, die Gleichung zu lösen – abgesehen vom Radfahren – ist, Fahrzeuge gemeinsam zu nutzen. Und es gibt bereits viele Möglichkeiten, diese Version zu verwirklicken: den klassischen öffentlichen Nahverkehr, bedarfsgesteuerter Verkehr (wie von Padam Mobility entwickelt), Fahrgemeinschaften oder Carsharing-Dienste (sofern sie den öffentlichen Nahverkehr nicht kannibalisieren). Wir können noch viel mehr tun: energieeffiziente Verkehrsmittel in den Städten und Vororten bequemer und billiger als das Auto machen, alle Taxis und Ride-Hailing-Fahrzeuge in den Städten zur gemeinsamen Nutzung anbieten, unsere Straßen in erster Linie für den öffentlichen Nahverkehr freigeben, unsere Wirtschaft so umgestalten, dass sie weniger von den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie abhängig ist.

Lassen Sie uns weiterhin die Gesundheitsrichtlinien befolgen, Masken tragen, unnötige Fahrten vermeiden und andere notwendige Maßnahmen ergreifen, um eine neue große Welle von Coronavirus-Infektionen zu vermeiden. Aber lassen Sie uns auch den Menschen um uns herum vertrauen, lernen, zu teilen, was geteilt werden kann, und Probleme auf eine gemeinschaftliche Weise zu lösen. Unsere Freiheit und unsere Fähigkeit, uns in der Zukunft zu bewegen, hängen davon ab. So wie das Tragen von Masken heute Leben rettet, bewahrt die Nutzung und Förderung öffentlicher Verkehrsmittel unsere Gesellschaft im Jahr 2040 und darüber hinaus.

Es ist an der Zeit, den öffentlichen Nahverkehr mit Ehrgeiz weiterzuentwickeln.

 

Grégoire Bonnat – Co-Founder & CEO, Padam Mobility

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Corona-Pandemie: Das Auto-Gespenst geht wieder um

La voiture individuelle est de retour

Nach dem Engagement, die Straßen von Autos zu befreien, hat die aktuelle Corona-Krise die Karten neu gemischt. Der öffentliche Nahverkehrs wird nur noch selten genutzt. Die Gefahr besteht, dass Leute erst recht auf das Auto als Fortbewegungsmittel zurückgreifen.

Die einzige positive Nachricht, die während der Corona-Pandemie zu vermelden war, der Rückgang der CO2-Emissionen weltweit um bis zu 17 %. In Deutschland wurden im April 26 % weniger Treibhausgase emittiert.

Ein Comeback der Verkehrsstaus?

Nachhaltige Mobilität leidet derzeit unter die aktuelle Pandemie und des Gesundheitsrisikos. Um eine Infektionsgefahr zu vermeiden, meiden viele Menschen Bus und Bahn. Dadurch nimmt die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel stetig ab. Laut Statistischem Bundesamt sind die Fahrgastzahlen im Fern- und Nahverkehrs um 46 % verringert. Im Oktober sind die täglichen Fahrten mit dem Bahnfernverkehr zum Vorjahresniveau sogar um 50 % gesunken.

Politik und Verkehrsbetriebe stehen vor der Problematik, den ÖPNV wieder attraktiv für die Bürgerinnen und Bürger zu machen bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen.

Auch das Auto wurde während der Corona-Zeit öfter stehen gelassen. Jedoch hat dies nichts an seiner Beliebtheit geändert. 75 % der Deutschen sehen das Auto als unverzichtbares Verkehrsmittel an, so der Mobilitätsmonitor 2020. Auch die Pkw-Zulassungen in Deutschland deuten auf ein Comeback des Autofahrens hin: Im Oktober 2020 vermeldete das Kraftfahrt-Bundesamt über 265.000 Pkw-Neuzulassungen, ein Plus von 8,4 % zum Vorjahresmonat. Auch ein Blick nach China zeigt, dass Privatautos wieder verstärkt genutzt werden. Die Ipsos-Umfrage in China ergab, dass 66 % der befragten Chinesen das Auto als Fortbewegungsmittel nutzen wollen. Vor dem Pandemie-Ausbruch waren es lediglich knapp 34 %.

Ja zu alternativen Verkehrslösungen

Egal ob in der Stadt, am Stadtrand oder auf dem Land – wir können nicht auf eine nachhaltige Mobilität auf den Straßen verzichten. Es gibt daher nur einen Weg, dies zu erreichen: verantwortungsvoller handeln! Das bedeutet, dass jeder eine Maske trägt und aktuellen Einschränkungen respektiert – auf der Straße und auch in Bus und Bahn. Verkehrsbetriebe setzen Hygienemaßnahmen um, es liegt aber auch an uns, dass diese eingehalten werden. Nur so kann eine sichere Nutzung des ÖPNV gewährleistet werden und weiterhin ein Beitrag für die Umwelt geleistet werden.

Durch Mobilitätslösungen wie dem Demand Responsive Transport (DRT) kann der ÖPNV sicher und bedarfsgerecht auch während der Pandemie angeboten werden. So hat die Technologie von Padam Mobility Verkehrsbetrieben geholfen, die Fahrgastauslastung zu steuern, um den Mindestabstand zwischen Fahrgästen zu garantieren. Durch die Buchung in Echtzeit war es möglich, die Fahrten einfacher zu koordinieren und schneller auf die veränderte Nutzeranfrage zu reagieren. SO konnten Nutzer direkt über die Mobilitätsapp über alternative Fahrten informiert werden, wenn die gewünschte Buchung schon ausgefüllt war. Auch konnten die Verkehrsunternehmen zusätzliche Haltestopps zu Krankenhäusern oder Gesundheitsämtern integrieren, um den aktuellen Bedürfnissen ihrer Nutzer zu erfüllen.

Die Kunden von Padam Mobility konnten durch die digitalen Lösungen ihren Verkehrsservice auf die Veränderungen durch die Pandemie schnellstmöglich anpassen. So kann Sicherheit und nachhaltige Mobilität vereint werden – zum Schutz der Menschen und Umwelt.

Ein Kommentar von Thibault Lécuyer-Weber, Chief Marketing Officer bei Padam Mobility

Sie interessieren sich, wie Padam Mobility bei der Umsetzung von Hygienevorschriften helfen kann? Dann lesen Sie diesen Artikel:
Padam Mobility bietet digitale Lösungen zur Einhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Verkehr

 

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